Im Februar wurde das 113 Seiten umfassende New Work Book von XING veröffentlicht. Experten, Impulse und Praxisbeispiele zum Aufbruch in eine neue Arbeitswelt. Teil 1 meiner „Rezension“ widmet sich dem Thema „Unternehmenskultur“.
Thomas Vollmoeller, CEO der XING AG schreibt im Vorwort: „So fragen sich auch immer mehr ältere Arbeitnehmer, ob die traditionellen Vorstellungen von Arbeitszeit, Anwesenheit, Urlaub und Gehalt noch angemessen sind. Kein Wunder, dass praktisch alle Umfragen jüngerer Zeit zeigen, dass Aspekte wie Flexibilität, Zufriedenheit und Sinnhaftigkeit deutlich vor den Angeboten klassischer Anreizsysteme wie Gehalt, Firmenwagen und Titel rangieren, wenn es um die Frage geht „Was ist Ihnen im Berufsleben wichtig?“. Es scheint, das Leben bricht sich Bahn, und zwar mitten hinein in den beruflichen Lebenslauf.“
Tatsächlich sagen mir ungefähr 2/3 aller Bewerberinnen, mit denen ich mich über ihren „Idealjob“ unterhalte, dass ihnen wichtig ist, dass einerseits ihre Tätigkeit für das Unternehmen aber auch der „Output“ des Unternehmens sinnvoll sein sollen. Flexible Arbeitszeiten und „bitte keine 60 Stunden Woche mehr“ führen die Wunschliste an den Traumjob an.
Für alle, die das New Work Book nicht haben oder sich nicht durch 113 Seiten lesen wollen habe ich hier die Highlights zusammengefasst, die natürlich jeweils von den Autorinnen der Beiträge stammen. Den Passagen, die ich hier zitiere, schließe ich mich jedoch vollinhaltlich an – und gebe noch ein bißchen meinen Senf dazu 😉
Gero Hesse „Unternehmenskultur als zentraler Erfolgsfaktor“
… Die demografische Entwicklung führt in vielen Ländern dazu, dass sich – eine stabile Wirtschaftslage vorausgesetzt – Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt ändern. Natürlich nicht von heute auf morgen, natürlich nicht für alle Arbeitskräfte. Wohl aber für hoch nachgefragte Experten oder für nahezu sämtliche ITler oder Ingenieure. Interessant ist, dass vielen CEOs diese Dramatik noch nicht so ganz klar ist. …
Erst vor einigen Tagen habe ich von einer Recruiterin die Aussage gehört „Wir können uns alle Zeit der Welt lassen im Bewerbungsprozess, zu uns wollen die Bewerber sowieso.“ Das mag heute so stimmen und hat wohl für einige Unternehmen noch vor wenigen Jahren auch gegolten. Vielleicht sollte man aber zumindest einmal einen Gedanken daran verschwenden, wie man es in Zeiten, wenn dies einmal nicht mehr der Fall ist (und die kommen, vielleicht nicht morgen und vielleicht nicht flächendeckend aber zumindest für einzelne Funktionen da wette ich) schafft, dass diese Einstellung aus den Köpfen der Recruiterinnen und der Führungskräfte wieder verschwindet?
… Was macht also zukünftig den Unterschied? Richtig, die Unternehmenskultur. Und hier vor allem vor dem Hintergrund der Frage aus Talentsicht, ob das jeweilige Unternehmen zu mir passt. Nicht andersherum. Somit sind die größten Wettbewerber am Arbeitsmarkt zunehmend nicht mehr andere Arbeitgeber, sondern eher die Start-up-Branche. Viele genau derjenigen digitalen Talente, die von nahezu jedem Unternehmen händeringend gesucht werden, entscheiden sich für den eigenen Weg mit einem Start-up. Das ist zwar schlechter bezahlt, bietet aber weitaus mehr Möglichkeiten für Selbstverwirklichung als ein Großkonzern und oft viel direktere Wertschätzung.
… Wie schaffen es also Konzerne und KMU’s authentisch ihre Unternehmenskultur zu vermitteln und genau die Talente und auch Professionals anzusprechen, die vielleicht mit der Start-up-Kultur nichts anfangen können? Welche Möglichkeiten gibt es, sich auch im Großkonzern beruflich zu verwirklichen oder ist das tatsächlich eine „entweder – oder“ Entscheidung? Und zum Thema Wertschätzung müssen wohl in erster Linie Führungskräfte eingesetzt werden, die ihre Mitarbeiterinnen auch wirklich „wert schätzen“.
… Erfolgreiche Organisationen werden Unternehmenskultur im besten Sinne als USP für sich deuten müssen. Was macht das Unternehmen besonders, was ist die spezielle DNA? Warum macht die Arbeit in einem bestimmten Unternehmen Spaß? Wird die Sinnebene durch die Arbeit befriedigt? Eine identitätsstiftende Unternehmenskultur schafft Motivation und kann ein Magnet für Top-Talente werden. Das verbessert Chancen im Recruiting und führt dazu, dass die besten Mitarbeiter bleiben.
…. Liebe Recruitingkolleginnen, könnt ihr diese Fragen für euer Unternehmen beantworten? Können es die Führungskräfte und die Geschäftsführung? Wenn nicht, beginnt doch im nächsten Briefinggespräch für euren Recruitingauftrag genau damit!
Sarah Müller und Daniel Beham „Transparenz am Arbeitsmarkt – darum müssen Unternehmen gläsern werden“
… Die Erfahrungsberichte schildern u. a. den zwischenmenschlichen Umgang und die Firmenphilosophie und geben so einen Einblick in den Alltag der Unternehmen. Diese versuchen nach wie vor häufig, ihre Unternehmenskultur durch aufwendige Hochglanzbroschüren und Imagevideos zu vermitteln. Authentisch sind diese Selbstdarstellungen nicht immer. Dabei ist es für Arbeitgeber wichtig, ihre Unternehmenswerte aktiv zu leben und dann auch nach außen konsistent zu vermitteln, um Mitarbeiter zu finden, die das Unternehmen bereichern und zu ihm passen.
… Hochglanzbroschüren mit Stockfotos, dem Diversity Gedanken gerecht werdend – irgendwie scheinen dieselben Menschen in vielen unterschiedlichen Unternehmen zu arbeiten und sie tun auch immer das gleiche: lächelnd um einen Konferenztisch sitzen, voller Begeisterung (worüber auch immer) den Daumen hochhalten oder jubelnd die Fäuste in die Höhe recken. Das alles beobachten Sie sicher auch tagtäglich in Ihrem Unternehmen oder? 😉
… „Passt dieses Unternehmen zu mir?“ sind die Kernfragen, welche die Jobsuchenden beschäftigen. …
Auf diese Frage sollten wir im Recruiting jedenfalls vorbereitet sein. Außer natürlich Sie sind in dem einen Unternehmen tätig, das sich alle Zeit der Welt lassen kann im Bewerbungsprozess 😉
… Die top bewerteten Firmen finden sich unter Internet- und Multimedia-Unternehmen, bei Beratung und Consulting sowie in der EDV- und IT-Branche. Diese Branchen zeichnen sich häufig durch flache Hierarchien, klare Entscheidungswege und ein hohes Maß an Transparenz aus und heimsen dafür Top-Werte bei den Kriterien Kommunikation und Arbeitsatmosphäre ein.
… Dazu muss ich Niccoló Machiavelli zitieren: „Wer will, dass ihm die anderen sagen, was sie wissen, der muss ihnen sagen, was er selbst weiß. Das beste Mittel, Informationen zu erhalten, ist, Informationen zu geben.“ Scheint nach über 500 Jahren immer noch aktuell zu sein.
Julian Vester „Ein Billardtisch allein reicht nicht“
… Die Unternehmenskultur ist das Ergebnis dessen, was sich innerhalb der Rahmenbedingungen abspielt. Wer die Kultur verändern möchte, muss also die Rahmenbedingungen verändern. …
In den meisten Start-up’s steht doch ein Wuzzler und kein Billardtisch oder? 😉 Ein schwieriges Unterfangen, manche Rahmenbedingungen sind nicht veränderbar, weil zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz einschränkt. Aber viele andere könnten verändert werden – wenn der Wille da ist.
… Die entscheidende Rahmenbedingung: In der DNA sollte der Wille verankert sein, dass Arbeit Spaß macht und sinnstiftend ist. Denn solange die Interessen zwischen Inhabern, Managern und Angestellten nicht einheitlich sind, wird jede Kulturmaßnahme zur Farce.
… In Beratungsprojekten erlebe ich häufig, dass die Interessen durchaus gleich sind. Es scheitert aber am Wissen voneinander. Und solange nicht klar und offen kommuniziert wird, welche Interessen denn eigentlich verfolgt werden braucht es auch keine (weitere) Kulturmaßnahme.
… New Work heißt für mich nichts anderes, als Eitelkeiten abzulegen. Das zu tun, was sinnvoll ist. Und dabei den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
… Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen ist wohl das absolute Idealbild: Jobs, die abhängig von der aktuellen Lebenssituation gestaltbar sind. Welcome in der New Work!
Stanley Dodds über Mitbestimmung bei den Berliner Philharmonikern
… Die 1882 gegründeten Berliner Philharmoniker sind weltweit das einzige Spitzenorchester, das seinen Chefdirigenten selbst wählen kann. 124 fest angestellte Musiker sind stimmberechtigt und bestimmen in geheimer Wahl ihren Chefdirigenten.
Zum Abschluss möchte ich noch anregen, wie es denn wäre, wenn morgen mal alle Mitarbeiterinnen darüber abstimmen, wer denn jetzt die Chefin oder der Chef ist. In geheimer Wahl natürlich. Oder vielleicht lieber heute, man kann ja dann sagen, dass es nur ein Aprilscherz ist 😉
Teil 2 folgt, wir sollten doch alle auch noch ein wenig arbeiten und nicht nur Blog lesen (oder schreiben 😉
Herzliche Grüße
Claudia
PS: Sie möchten keinen Blogbeitrag verpassen? Einfach meinen Newsletter abonnieren, Recruiting-Insider werden und 1 x monatlich alle Beiträge (und mehr) gesammelt direkt ins Postfach erhalten – damit Recruiting wieder einfach wird.