Fachkräftemangel und hohe Arbeitslosigkeit: Wie sieht es 2021 in Österreich aus?

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Recruitingpraxis

Die Arbeitslosigkeit in Österreich sinkt zwar im März 2021, trotzdem ist die Zahl wesentlich höher als 2 Jahre zuvor. Dem gegenüber steht der viel zitierte Fachkräftemangel: „Wir bekommen gar keine Bewerbungen“, ist von zahlreichen Recruitingverantwortlichen aus unterschiedlichen Branchen zu hören. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz? Ich habe fünf Gründe aufgelistet, warum in Österreich 2021 trotz hoher Arbeitslosigkeit Fachkräftemangel herrscht.

Gif mit Mann, der sagt: "I'm sorry, what?"

AMS Chef Johannes Kopf empfiehlt Menschen, die vor der Corona-Ära in der Gastronomie tätig waren, entweder auf zusätzliche Qualifizierung zu setzen oder eine Umschulung zum Beispiel als Pflegefachkraft zu machen oder in die IT-Branche zu wechseln. Das klingt großartig für die einen, illusorisch und unrealistisch für die anderen.

Was ich über das Thema Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel denke, hat mich Andrea für ihren Podcast Lebenswege gefragt. Der ist eine sehr gute Ergänzung zu diesem Blogbeitrag, du solltest unbedingt reinhören.

Fünf Gründe für Fachkräftemangel & Arbeitslosigkeit in Österreich

1. Unternehmen benötigen Mitarbeiterinnen mit Kompetenzen

Doch diese waren auch schon vor der Corona-Ära nicht ausreichend am Arbeitsmarkt vorhanden!

Dazu zählen zum Beispielen digitale Kompetenz, aber auch Gesundheits- und Pflege-Berufe. Unter dem #Pflexit kannst du auf Twitter nachlesen, wie viele Menschen in diesen Jobs derzeit kündigen, Nachfolge ist keine in Sicht. Es gibt diverse Programme, die Umsteigerinnen z.B. in die Pflege holen sollen, doch das funktioniert nicht von heute auf morgen. Hier wäre es Aufgabe der Unternehmen und der Bildung und  gewesen, vorausschauend zu agieren. In der Schweiz wurde schon vor vielen Jahren das Berufsbild „Pflege“ einem Imagewechsel unterzogen und zum Beispiel entsprechende Lehrberufe etabliert. Dafür sind wir in Österreich allerdings gut 10 – 20 Jahre zu spät dran.

Mitarbeiterinnen in der Gastronomie, die ihren Job wirklich mögen und bisher von ihren Arbeitgeberinnen fair behandelt und entlohnt worden sind, hoffen auf einen schnellen Wiedereinstieg nach den Öffnungen. Kein Wunder, dass die höchste Zahl an Jobsuchenden in den Bereich Beherbergung und Gastronomie fällt. Beruhigend, dass diese Zahl dann wohl auch schnell wieder sinkt. Beunruhigend, dass bereits vor Corona einzelne Betriebe nicht ausreichend Mitarbeiterinnen gefunden und erst gar nicht geöffnet haben. Wandern nun noch Menschen in andere Jobs ab, wird sich der Fachkräftemangel in Österreich 2021 auch hier noch eklatant verstärken.

2. Recruitingverantwortliche setzen auf post and pray

Job Marketing bedeutet, einen Job richtig zu vermarkten.

Herauszufinden, wer denn wirklich gesucht wird, wo diese Person anzutreffen ist und wie ich das Angebot nicht nur richtig, sondern auch attraktiv darstelle sind nur ein paar Punkte, die es beim Job Marketing zu beachten gilt. Trotzdem agieren viele Recruitingverantwortliche immer noch nach dem Schema „copy paste“ – sowohl was das Jobinserat als auch was die immer gleichen Plattformen angeht. Neue Wege gehen ist angesagt.

3. Mindestentgelt statt Gehaltsrange

Jobsuchende sind keine Profis im Bewerben.

Diesen Satz wiederhole ich permanent – in meinen Workshops, in Podcasts, in Interviews. Woher sollen sie wissen, dass die Angabe des Mindestentgelts mehr oder weniger die lästige Erfüllung einer gesetzlichen Vorgabe ist, in der Realität sieht es aber ganz anders aus? Es gibt Menschen, die sich erst gar nicht bewerben, wenn das Mindestentgelt nicht einmal dem AMS-Bezug entspricht. Zu Recht fragen sie sich: „Warum soll ich arbeiten, wenn ich mich um die Kinder im Homeschooling kümmern oder netflixen kann?“. Die Angabe einer Gehaltsrange sorgt nicht nur für Transparenz, sondern auch für mehr und vor allem bessere Bewerbungen

4. Individuelle Arbeitszeiten

  • Freitag am Nachmittag während der Schulzeit immer frei, weil ich da Tanzunterricht für Kinder gebe.
  • Sechs Wochen am Stück freie Zeit mit meinen Kindern im Sommer.
  • Zweimal pro Woche Start erst um 09:30, weil ich dann noch meine Sporteinheiten gut unterbringe (Training für den Triathlon).

Das sind alles echte Wünsche von Menschen, die ihren Job wechseln würden, wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind. Ich habe da noch einige mehr auf Lager, aber die gefallen mir besonders gut, weil ganz konkret. Es gibt so viele Arbeitszeitmodelle, flexible Arbeitszeiten ist da nicht ausreichend, weil es für jede etwas anderes bedeutet. In Funktionen, in denen Schichtbetrieb gefordert ist, mag es nicht so einfach sein, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen – das gebe ich zu. Es ist aber nicht unmöglich.

5. Suche nach Qualifikation statt Kompetenz

Im Jahr 2016 habe ich bereits dazu gebloggt, dass Qualifikation und Kompetenz leider häufig verwechselt werden – 2021 hat sich daran nichts geändert. „Wir haben im Recruiting nicht gelernt, nach Kompetenzen zu selektieren, sondern nur nach Qualifikation“, sage ich zu Andrea im Podcast. Ich erzähle auch von meiner eigenen Ausbildung in der Personalverrechnung – Qualifikation am Papier ist vorhanden, Kompetenz in der Praxis gleich null (ich wollte das auch nicht ausüben, ich wollte nur die Schnittstelle Personalverrechnung – Recruiting optimieren).

Es ist jetzt wirklich an der Zeit, umzudenken und Lebensläufe nicht nur nach Ausbildungen und einschlägiger Berufserfahrungen zu screenen.

Welche Veränderung wirst du vornehmen, damit Recruiting (schon jetzt sowie nach Corona) wieder einfach wird?

Herzliche Grüße
Claudia

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