Diese Woche wurde von Berlin aus das Recruiting grundlegend verändert, oder? Ich hoffe, ich bin jetzt nicht arbeitslos oder nein politisch korrekt heisst es „arbeitssuchend“ und ich hoffe, auch keine meiner Recruitingkolleginnen (allerdings sind die laut Meinung von Arbeitssuchenden in diversen Karriere-Foren sowieso völlig unnötig – falls jemand ein wenig Erheiterung zwischen den Fieberschüben sucht, kann ich wirklich empfehlen ;-).
Zurück zu firstbird: ich gratuliere euch von Herzen, euer Launch hat jede Menge Aufmerksamkeit erhalten und die ersten Blogberichte sind noch am Dienstag veröffentlicht worden. Ich habe teilweise per Twitter nachverfolgt was sich getan hat (gestehe aber, dass ich grippebedingt mehr geschlafen als nachverfolgt habe ;-). Ich war also weder vor Ort noch virtuell wirklich dabei, aber ich kenne die Jungs und das Produkt und die Idee. Und ich habe in allen Unternehmen, in denen ich als Inhouse Recruiterin tätig war, Kennzahlen über die Bewerbungskanäle erstellt (auch als KPIs im Recruiting noch nicht Standard waren, aber im Marketing war diese Übung an der Tagesordnung).
IMMER waren Mitarbeiterinnenempfehlungen an Platz 1.
Und zwar nach einem halben Jahr Zugehörigkeit zum Unternehmen. Egal, ob es dafür eine Vermittlungsprovision an die empfehlende Person gegeben hat oder nicht. Das ist daher bei meinen Beratungsprojekten eine meiner ersten Fragen: „Wissen Ihre Mitarbeiterinnen, dass gesucht wird und wer gesucht wird?“ Und irgendeine Form von „vielen Dank“ für die Empfehlung kann es immer geben. Kann tatsächlich eine monetäre Variante sein, aber wenn das nicht möglich oder gewollt ist, gibt’s zum Beipspiel auch Schokoloade oder ein Dankesschreiben oder … Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie ein bunter Frühlingsblumenstrauss. Suchen Sie sich eine aus, die zur Unternehmenskultur passt und los gehts. Oder holen Sie firstbird 😉
Eigentlich geht es heute aber um etwas ganz anderes. Ich bin jetzt ein paar Mal gefragt worden, wie ich das denn sehe mit der „Evidenzdatenbank“ (oder nennen Sie es „Candidatepipe“ oder was Ihnen sonst so dazu einfällt oder gefällt, mir ist alles recht).
Bei der Recherche habe ich übrigens etwas gelernt: Laut Duden ist „in Evidenz halten“ eine österreichische, sagen wir einmal, „Eigenheit“:
(bildungssprachlich) das Evidentsein; unmittelbare und vollständige Einsichtigkeit, Deutlichkeit, Gewissheit, unumstößliche Tatsache, faktische Gegebenheit
(österreichisch) Ort, an dem Daten oder Unterlagen gesammelt werden; Register; Ablage
(Wirtschaft) Aufstellung der Lagerbestände (einschließlich der Zu- und Abgänge)
(Medizin, Pharmazie) empirisch erbrachter Nachweis der Wirksamkeit eines Präparats, einer Therapieform o. Ä.
Sie haben sicher schon einmal eine Bewerbung weggeschickt und so etwas in der Art als Rückmeldung erhalten: „Vielen Dank für Ihr Interesse. Ihr Profil passt fast perfekt zu unserer Ausschreibung, aber andere waren noch fast perfekter. Darum laden wir Sie nicht ein, aber behalten Ihre Unterlagen – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – gerne in Evidenz, damit wir gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf Sie zukommen können.“ Ich gestehe, ich habe solche Schreiben auch weggeschickt (also nicht mit diesem Wortlaut, die Texte waren hoffentlich besser formuliert, aber der Inhalte passt schon ;-)). Selten aber doch. Heisst nicht, das ich das gut finde, lag eher an den knappen zeitlichen Ressourcen. Einige Bewerberinnen sind ja der Meinung, das ist einfach ein Absage, nur netter formuliert. Ja kann sein. Kann aber auch sein, dass es da wirklich irgendwo eine „Ablage“ gibt – und da liegen sie dann die Unterlagen (zumindest in Österreich ;-).
Wofür also Unterlagen in Evidenz halten?
Selbst wenn sich herausstellt, dass die Kandidatin, der wir jetzt zusagen, im Probemonat wieder weg geht, bis dahin hat sich meist für die Bewerberin „in Evidenz“ auch etwas geändert. Und die Suche beginnt von vorne, also haben alle, die jetzt aktuell Interesse haben, eine Chance. Das sind vielleicht andere als vor zwei Monaten und da passt evtl. jemand „perfekt“ (niemand passt jemals perfekt, das ist eine Illusion, tut aber jetzt nichts zur Sache). Aber es gibt Menschen, die passen ideal zum Unternehmen und zur Position. Die Frage ist nur, wie Sie die erreichen und ich traue mich wetten, die finden sich eher nicht in der Evidenzdatenbank (also die Menschen sowieso nicht, ihre Unterlagen vielleicht 😉 aber eher auch nicht).
Wirklich von „Evidenz“ oder „Pipe“ kann ich daher nur sprechen, wenn ich die betreffende Person bereits persönlich kennen gelernt hat. Wenn eben zum Beispiel die Rahmenbedingungen jetzt aktuell nicht passen. Wenn ich gerade keinen Headcount habe (für die ideale Kandidatin findet sich aber oft einer). Wenn ich aufgrund der Situation im Team gerade keine Absolventin nehmen kann, auch wenn sie wirklich gut dazu passen würde. Wenn die Person unbedingt eine Führungsposition haben will, ich aber aktuell keine (mehr) zu besetzen haben. Wenn die Abteilungsleiterin beschlossen hat, unter gar keinen Umständen eine Frau / einen Mann / jemanden unter 30 / über 50 und und und einzustellen (soll vorkommen. Hab ich einmal gehört. Ein Freund von mir kennt da wen, der jemanden kennt 😉 Und Ihnen fallen sicher noch ein paar nette Beispiele ein.
Nicht immer hat man also die Möglichkeit, einer gut ins Unternehmen passenden Kandidatin, auch sofort einen Stelle anbieten zu können. Und dann? „Schade“ sagen, seufzen, Kandidatin anrufen und absagen, vielleicht noch mit dem Hinweis „eventuell zu einem späteren Zeitpunkt“ … So läuft es wohl sehr oft. Verständlicherweise.
Und trotzdem: weg mit der Evidenzdatenbank (und schon brauchen Sie sich auch weniger Gedanken zum Thema Datenschutz machen, ha so schnell sind wieder Ressourcen eingespart) und her mit einem lebendigen, aktiven Pool. Klingt schwierig oder? Ist es auch. Sie brauchen vor allem eine Ressource, nämlich Zeit. Zeit, die Sie in ein Netzwerk investieren sollten, damit Sie dann im Bedarfsfall sehr schnell potentielle Bewerberinnen „an der Hand“ haben. Bei denen Sie dann auch noch präsent sind, wenn diese aus welchem Grund auch immer gerade jetzt wechselbereit sind. Das geht relativ einfach, wenn Sie vor allem die Zielgruppe der Absolventinnen ansprechen wollen. Da wissen Sie ja ganz genau, wo sie sich aufhalten (und wie lange noch). Aber sobald wir von berufserfahrenen Bewerberinnen sprechen, ist es nicht mehr so einfach.
Mit Netzwerk meine ich übrigens nicht nur, dass Sie alle potentiellen neuen Kolleginnen auf XING zu Ihren Kontakten hinzufügen und mit einem entsprechenden Tag versehen. Bei Bedarf ist dann schnell gefiltert. Aber das verlagert das Problem eigentlich nur von einem physischen Ordner auf eine Plattform. Eine allgemein gültige und pauschale Empfehlung abgeben ist (wie immer) schwer. Das Gießkannenprinzip und „je mehr desto besser“ funktionieren hier keinesfalls.
Aber: Hand aufs Herz – wie viele dieser wirklich absolut tollen KandidatInnen, für die es jetzt einfach nicht die passende Einsatzmöglichkeit gibt, sehen Sie denn pro Monat oder pro Jahr? Bei waren das üblicherweise eine Handvoll (im Jahr nicht im Monat). Klingt überschaubar oder? Kriegen Sie auch hin, da bin ich sicher!
Herzliche Grüße
Claudia
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