Recruiting besteht aus zwei Phasen: einerseits dem suchen, identifizieren und vielleicht ansprechen von potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und aus der Auswahl. Immer noch scheint es so, dass die meisten Recruiting mit der Auswahl verbinden und sich daher vor allem auf das Thema „Gesprächsführung im Recruiting“ fokussieren. Dabei ist es aktuell doch die eigentliche Herausforderung, erst einmal zu den geeigneten Kandidatinnen zu gelangen bzw. diese zu uns.
Ich werde trotzdem sehr oft gefragt, wie denn eigentlich so ein ideales Bewerbungsgespräch abläuft. Ein Thema bereitet im Recruiting offenbar besonders große Kopfzerbrechen: die Gehaltsvorstellungen. Viele Recruiterinnen, aber auch Hiring Manager, haben Hemmungen, das anzusprechen.
Ich empfehle, das Gespräch auf keinen Fall Interview, Vorstellungsgespräch oder Bewerbungsgespräch zu nennen. Worte schaffen Wirklichkeit. Worum geht es bei diesem Gespräch? Es geht um das Kennenlernen, um danach eine Entscheidung treffen zu können – und das für beide Seiten. Eine ehemalige Kollegin hat Recruiting immer mit einer Partnerschaftsvermittlung verglichen und mich jedes Mal, wenn ich vom Kennenlern-Gespräch zurückgekommen bin, gefragt, wie das erste Date war. 😉 Sie hat ja nicht unrecht, beginnen doch – je nach Umfrage – bis zu ¼ aller Beziehungen tatsächlich am Arbeitsplatz. Das das wirklich ein Thema ist, bestätigt meine kurze Google Suche – hier ein Screenshot von ähnlichen Anfragen zu diesem Thema.
Jetzt aber wieder weiter im Text und zwar sehr seriös. 😉
Als ich begonnen habe, als Recruiterin tätig zu sein, war es ein No-Go, die Kandidaten im ersten Gespräch nach ihren Gehaltsvorstellungen zu fragen. Dies wurde oft in der zweiten Runde zur Sprache gebracht. Da war die Situation allerdings auch noch so, dass wir wirklich die Auswahl aus vielen Bewerbungen hatten und auch lange Bewerbungsprozesse nicht dazu geführt haben, dass Kandidatinnen abspringen. Derzeit finde ich es angebracht, alle Rahmenbedingungen, die nicht veränderbar sind, so früh wie möglich zu klären bzw. im Idealfall schon bekannt zu geben, bevor sich jemand für die Bewerbung entscheidet. Zu den Rahmenbedingungen gehört nicht nur das Gehalt, dazu gehört die Arbeitszeit, der Arbeitsort und manchmal auch die Ausstattung, Möglichkeit für Home-Office, Betriebsurlaub, etc. Gerade wenn sie sich in einer Branche bewegen wo ihr Spielraum für das Gehalt nicht allzu groß ist dann würde ich empfehlen das dringend so bald wie möglich im Prozess auch offen darzulegen.
Viele scheuen sich davor und meinen, dann wissen ja unsere Konkurrenten (also ich meine die Marktbegleiter), wieviel wir zahlen oder dann kriegen wir ja gar keine Bewerbungen mehr.
[bctt tweet=“Fakt ist, dass es uns nicht nützt, wenn wir uns mit den falschen Bewerbungen beschäftigen. “ username=“lorber_claudia“]
Wenn eine Bewerberin derzeit € 7.000 im Monat verdient und wir nur maximal € 3.000 Euro zahlen können, dann wirds wohl wenig Sinn machen, hier miteinander ins Gespräch zu gehen. Vielleicht stellt sie fest, dass der Job spannend wäre und wir, dass sie auch zu uns passt, aber an den Bedingungen können wir trotzdem nichts ändern. Was soll jemanden, in Zeiten von sehr niedriger Arbeitslosigkeit dazu bringen, für einen ähnlichen Job auf einen Großteil des Gehalts zu verzichten? Wenn das – aus welchen Gründen auch immer – der Fall ist, dann wird diese Person auch nicht abgeschreckt sein, sondern kann sich im Vorfeld Gedanken dazu machen. Warum sollen wir unsere Zeit und auch die Zeit der Bewerberinnen vergeuden? Das bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem in Kontakt kommen und auch bleiben kann.
Dazu gehört auch, dass Sie sich im Idealfall vorab in die Situation Ihrer Kandidatinnen versetzen: was müssen Sie wissen? Wo im Prozess, in der Kommunikation gibt es Unklarheiten? Fragen Sie einfach Mitarbeiterinnen, die erst vor kurzem angefangen haben, lesen Sie Ihre Bewertungen auf kununu, denken Sie an Ihren eigenen Bewerbungsprozess.
Recruiting bedeutet allerdings, dass wir jetzt eine Position zu besetzen haben. Wenn wir darüber hinaus noch einen Pool für weitere Positionen aufbauen können, umso besser. Zeit ist für alle knapp und ihre potentiellen Mitarbeiterinnen werden es zu schätzen wissen, wenn Sie auch mit ihrer Zeit sorgsam umgehen. Konkret bedeutet das:
- Für Klarheit sorgen, indem wir alle relevanten Informationen zur Verfügung stellen
- Den Prozess transparent darstellen (wer ist beteiligt, wie viele und welche Stufen gibt es, …)
- Rahmenbedingungen vorab klären (vielleicht einfach telefonisch?)
- Ausreichend Zeit einplanen
- Für eine angenehme Gesprächsatmosphäre sorgen (Wasser ist noch immer nicht selbstverständlich)
Uns bleibt so mehr Zeit, in der wir uns mit Kandidatinnen beschäftigen können, für die unser Angebot auch wirklich passt. Vielleicht ein Recruiting-Vorsatz fürs nächste Jahr?
Herzliche Grüße
Claudia
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