Active Sourcing: (k)ein Praxisbeispiel

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Active Sourcing

Hast du bitte ein Active Sourcing Praxisbeispiel für die Direktansprache von potenziellen Kandidat:innen für uns? Diesen Wunsch äußern Recruitingverantwortliche recht häufig. Ein Beispiel habe ich hier, aber leider kein Best Practice Beispiel!  Und bevor du dich fragst: Vorlagen für die Kontaktaufnahme habe ich auch nicht. Wie du diese besser nicht gestaltest, das kannst du allerdings hier nachlesen – vor allem, wenn du gerade etwas Aufheiterung benötigst. Außerdem habe ich drei Tipps für dich, wie die Kontaktaufnahme einfach besser funktioniert.

Eines noch vorab: ob du besser eine Nachricht oder direkt eine Kontaktanfrage an potenzielle Kandidat:innen senden sollst, das habe ich in diesem Video auf Recruiting TV beantwortet.

Das Beispiel

Ich bekomme aus meinem Netzwerk oft Screenshots oder Links zu ganz besonderen „Schmankerln“. In diesem Fall ein Beispiel für den Versuch der Direktansprache. Hier die Nachricht – wie unschwer zu erkennen ist – via XING und für dich zum Mitlesen (von mir kommentiert):

Screenshot Direktansprache via XING - Details folgen in den nächsten Bildern.

Der Betreff

Schauen wir uns doch gleich den Betreff genauer an:
"Vertrauliche Anfrage: Spannende Beraterrolle bei etablierten Unternehmensberatung im Bereich Marketing/Vertrieb"
Liebe Bewerber:innen, bitte immer schön auf die Rechtschreibung achten. Gilt anscheinend nicht für Recruiter:innen – gut, kann ja mal passieren. Der potenzielle Kandidat hat übrigens seit Jahren keine Funktion im Marketing mehr. Weiter geht’s im Text:

Die Nachricht

"Sehr geehrter Herr - Sie beenden suchen nach dem nächsten Schritt?"
Sie ahnen es bereits, Herr XY beenden nicht suchen nach einem nächsten beruflichen Schritt, weil Herr XY nämlich gar nicht suchen nach einem nächsten beruflichen Schritt.
 "Als Recruiting und Talent Management Unternehmen sind wir auf die Begleitung von herausragenden Beraterpersönlichkeiten entlang Ihres gesamten beruflichen Werdegangs spezialisiert und verfügen hier über ein ausgeprägtes Netzwerk."
Ein Talent-Management-Unternehmen, das nur davon lebt, die herausragenden Beraterpersönlichkeiten entlang MEINES beruflichen Werdegangs zu begleiten! Ich würde mich jetzt an Stelle von Herrn YX ein bisschen geehrt fühlen. Auch wenn ich vermutlich nicht weiß, was so ein Talent-Management-Unternehmen eigentlich macht. Vermutlich hauptsächlich Netzwerken, denn wie sonst kommt man zu einem „ausgeprägten Netzwerk“. Allerdings kenne ich bzw. Herr XY die ja anscheinend schon alle, kann also jetzt nicht wirklich einen Vorteil für mich erkennen. Lesen wir weiter:
"Ich vertrete aktuell das Mandat einer etablierten Unternehmensberatung die Ihren Schwerpunkt auf Marketing- Produkt- und Preisstrategien im Bereich von Financial Services legt. Namhafte internationale Banken gehören zum Kundenstamm und das Unternehmen setzt seinen Wachstumskurs erfolgreich fort."
Jetzt kommen wir der Sache näher. „Financial“ könnte ein Suchbegriff gewesen sein, mit dem Herr XY bei den Ergebnissen der XING-Suche der Recruiterin des Talent-Management-Unternehmens aufscheint. Ein Anknüpfungspunkt! Ein bisschen verstörend findet Herr XY die Tatsache, dass die etablierte Unternehmensberatung, die ihn vermutlich ihrerseits noch nicht im ausgeprägten Netzwerk hat, sonst hätten sie ihn vielleicht schon eher kontaktiert (oder eben auch nicht) seinen Schwerpunkt auf Marketing-, Produkt- und Preisstrategien legt. Immerhin wird das schon sehr zeitig im Prozess erwähnt und Herr XY überlegt jetzt, ob er vielleicht seinen bisherigen Schwerpunkt doch einmal verändern möchte. Vielleicht wenn der Rest einfach überzeugt:
"Unser Mandat bietet Ihnen am Standort Frankfurt eine zügige Karriereentwicklung, beraterische Excellenz und ein stark unternehmerisch und familiär geprägtes Umfeld mit flexiblen Strukturen und einer für die Beratungsbranche einzigartigen Unternehmenskultur."
Kurzfristig ist Herr XY verwirrt, handelt es sich doch nicht um ein Talent-Management-Unternehmen, sondern vielleicht um eine Rechtsanwaltskanzlei? Da Herr XY in beiden Branchen nicht sonderlich versiert ist, beschließt er, dem Mandat einfach keine Beachtung zu schenken und liest einfach weiter. Ah, hier kommt eine essenzielle Information, die Position ist anscheinend in Frankfurt angesiedelt. Dass Herr XY aktuell nicht vorhat, seinen Wohnsitz von Wien nach Frankfurt zu verlegen, kann die Recruiterin natürlich nicht wissen, einen Versuch war es wert. Interessant ist die Unternehmensbeschreibung. Man bietet zügige Karriereentwicklung und zeitgleich ein familiär geprägtes Umfeld – da ist also sicher für jeden was dabei. Für den Familienvater genauso wie für den aufstrebenden, karriereorientierten Single.
"Gerne gebe ich Ihnen telefonisch weitere Informationen an die Hand. Ich freue mich auf Ihr Feedback und einen kurzen Terminvorschlag."

Das ist aber nett! Es gibt telefonisch noch weitere Auskünfte. Sollte Herr XY nun ernsthaft in Betracht ziehen, demnächst seinen beruflichen Schwerpunkt nach Frankfurt zu verlagern, muss er also erst Mal die Telefonnummer heraussuchen. Da die beiden auf XING nicht vernetzt sind, sind die Kontaktdaten von Frau YZ nämlich nicht freigegeben. Ah, Google sei Dank, man findet das Talent-Management-Unternehmen und auch die Telefonnummer von Frau YZ. Nicht, dass jetzt jemand denkt Herr XY hat sich die Mühe gemacht, das war ich (gehört ja schließlich ordentlich recherchiert hier 😉). Jetzt freut sie sich also auf Feedback und einen kurzen Terminvorschlag. Herr XY fragt sich kurz, wofür genau der Terminvorschlag denn sein sollte. Vielleicht für ein Telefonat oder gleich für einen Termin in Frankfurt? Ach so, wo hat das Talent-Management-Unternehmen denn seinen Sitz? Viel zu viele offene Fragen für einen kurzen Terminvorschlag, also lässt er es lieber gleich sein.

Die Conclusio

Wäre zumindest eine Telefonnummer angegeben, hätte Herr XY schnell mal zum Hörer gegriffen und (weil er ein höflicher Mensch ist) gesagt, dass er derzeit kein Interesse an der vorgeschlagenen Position hat. Das wäre aus seiner Sicht nämlich schneller, als eine XING-Antwort zu schicken, und für ihn wäre die Sache erledigt. Dann hätte Frau YZ zumindest die Chance gehabt, ihn kurz zu interviewen und ihm entweder die schon vorgeschlagene Position doch noch schmackhaft zu machen oder ihn für künftige Positionen in die Datenbank (wir gehen jetzt mal davon aus, dass ein Talent-Management-Unternehmen eine hat) aufnehmen können. Sie hätte also vielleicht noch eine Möglichkeit gehabt, alles was sie bei diesem Versuch von Active Sourcing verbockt hat, wieder hinzubekommen. Tatsächlich hat sie jetzt lediglich eine Nachricht mit dem Inhalt erhalten: kein Interesse (natürlich wesentlich netter formuliert, aber davon hat sie wohl nix).

Du überlegst jetzt, ob Active Sourcing wohl die richtige Maßnahme für dein Unternehmen sein kann? Als erste Entscheidungshilfe habe ich hier einen Blogbeitrag für dich geschrieben. Du willst es gleich konkret angehen? Dann mach am besten meinen Onlinekurs „Active Sourcing von A – Z.“

Drei Tipps für die Kontaktaufnahme

  1. Gib bei jeder Nachricht unbedingt deine Kontaktdaten an
  2. Schreibe nicht über dich oder dein Unternehmen, sondern über die Person, mit der du in Kontakt kommen möchtest
  3. Überprüfe deine Nachricht auf Fehler, lies sie am besten einmal laut. Du willst sicherlich nicht, dass du als unprofessionell wahrgenommen wirst.

Und wir gehen einmal davon aus, dass sie diese Anfrage noch zahlreichen anderen XING-Kontakten, die ihre (na gut, nennen wir es mal so) „Recherche“ ausgespuckt hat, geschickt hat. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt jemand antwortet? Abgesehen von allen, die ganz dringend auf Jobsuche sind (und die melden sich auch über herkömmliche Recruitingkanäle). Schade um die Zeit.

Aber DANKE für ein großartiges Beispiel! Einfach künftig an das Talent-Management-Unternehmen denken und schon wird dein nächstes Sourcing Projekt zum Erfolg!


Herzliche Grüße

Claudia

PS: Du möchtest Fehler im Active Sourcing vermeiden? Hier kannst du mein pdf mit den 5 größten Irrtümern downloaden.